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Bus, Bahn, Rad und Carsharing: Entwurf Mobilitätsgesetz Brandenburg


Werder (Havel), 27.07.2023 –
Das Auto ist wie eine Droge: Es ist teuer, wir könnten auch ohne, es macht abhängig und aggressiv, gaukelt falsche Freiheiten vor, seine steigende Zahl macht gerade in Städten immer mehr Probleme und trotzdem kommen wir nicht von diesem Ding weg, das im Durchschnitt 23 Stunden am Tag nur rumsteht.

Das Problem ist nicht das Auto, sondern seine endlos wachsende Zahl

Eine Obergrenze ist nicht vorgesehen. Verbote würden den hinfort protestieren, der sie ausspricht. Einzige Alternative, um von der Vielnutzung der Droge Auto runterzukommen, scheint derzeit, andere Verkehrsmöglichkeiten zu fördern. Sprich: Bahn, Bus, Carsharing und Fahrrad derart anzugeilen, dass immer mehr Leute auf den Trichter kommen „Wenn ich damit gut unterwegs bin, warum sollte ich mir dann noch ein eigenes Auto halten?“.

Ein Mega-Prozess mit langsamem Fortschritt

Schritt eins war vor zehn Jahren die Liberalisierung der Fernbus-Gesetzes. Flixbus ging seitdem durch die Decke. Millionen von Fahrgästen, die für kleines Geld nicht mit dem eigenen Auto rumgeeiert sind. Ein kleines weiteres Stück war die gesetzliche Freigabe der E-Scooter für die „letzte Meile“ ab Bus, Tram oder Bahn. Ein regelrechter Meilenstein hingegen war die Einführung des Deutschlandtickets. Von der Nicht-Privatisierung des bundesdeutschen Tafelsilbers Bahn mal ganz abgesehen.

Gibt es nicht in Werder, bekäme aber scheinbar mit dem neuen Mobilitätsgesetz eine rechtliche Grundlage: Carsharing. Im Bild: Ein Auto des Leipziger Anbieters TeilAuto. Foto: Bernd Reiher

Ein steiniger Weg, der aber nicht nur vom Nutzerwillen abhängig ist, sondern bei dem auch einige Gesetzeshürden zu bewältigen sind. Beispiel: Carsharing für Brandenburg.

Ihn zu gehen und eventuelle Hemmnisse abzubauen, dafür hat das Land Brandenburg jetzt den Entwurf für ein neues Mobilitätsgesetz vorgelegt. Lesen Sie mehr in der Pressemitteilung des Ministeriums für Infrastruktur und Landesplanung vom 11. Juli 2023.

Entwurf für Mobilitätsgesetz Brandenburg steht

Im Auftrag des Landtags und unter der Federführung des Ministeriums für Infrastruktur und Landesplanung hat die Landesregierung gemeinsam mit der Volksinitiative „Verkehrswende Brandenburg jetzt!“ den Entwurf für ein Mobilitätsgesetz erarbeitet.

Das Gesetz soll die rechtlichen Grundlagen für eine klimaverträgliche und sozial gerechte Mobilität in allen Teilen Brandenburgs schaffen.

„Wir wollen, dass die Brandenburger*innen und künftig noch bequemer, sicherer, zuverlässiger, klimafreundlich und ohne Barrieren mobil sein können. Der vorgelegte Entwurf ist ein gutes Ergebnis, das wir mit der Volksinitiative in einem vertrauensvollen Prozess erarbeitet haben. Gerade mit Blick auf die Verkehrswende möchten wir über den Tellerrand schauen. Wir denken Mobilität in ihrer Gesamtheit. Der Gesetzentwurf berücksichtigt deshalb das Zusammenspiel aller Mobilitätsformen und die unterschiedlichen Bedürfnisse zwischen städtischen und ländlichen Regionen. Brandenburg ist das bundesweit erste Flächenland, das das Thema Mobilität so bündelt und einen gesetzlich festgeschriebenen Fokus auf den ÖPNV sowie die Nahmobilität legt. Konkret soll jeweils ein flächendeckendes Netz aus Bus, Bahn und Radverkehrsverbindungen entstehen. Mit dem Mobilitätsgesetz Brandenburg haben wir jetzt die Chance, Innovationstreiber und Taktgeber im Übrigen auch über Brandenburg hinaus für die Verkehrswende und den Klimaschutz zu werden. Wir werden den Entwurf möglichst schnell im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens, das wir heute gestartet haben, finalisieren.“

Guido Beermann, Verkehrsminister Land Brandenburg

Das Mobilitätsgesetz Brandenburg verankert erstmals die verkehrspolitischen Strategien des Landes in einem modernen, zukunftsgerichteten Gesetz. Um die Mobilität der Bürgerinnen und Bürger auch unter Klimaschutzgesichtspunkten zu verbessern, orientiert sich der Entwurf unter Beachtung der Finanzierungsmöglichkeiten an den Zielen der Landesregierung: Klimaneutralität bis 2045 und die Erhöhung des Anteils des Umweltverbundes, bestehend aus ÖPNV, Rad- und Fußverkehr, bis 2030 auf 60 Prozent.

Außerdem ist vorgesehen, dem Umweltverbund Vorrang vor anderen Mobilitätsformen einzuräumen. Mehr attraktive Angebote sollen die Bürgerinnen und Bürger motivieren, auf klimafreundliche Verkehrsmittel umzusteigen. 

„Stellvertretend für die gut 28.000 Unterstützer*innen unserer Volksinitiative haben wir in den vergangenen anderthalb Jahren intensiv mit der Landesregierung verhandelt. Besonders wichtig ist uns, dass die Klimaneutralität des Verkehrssektors bis 2045, der Vorrang für den Umweltverbund beim Finanzmitteleinsatz sowie die Steigerung des Verkehrsanteils von Bahn und Bus, Fahrrad- und Fußverkehr auf mindestens 60 Prozent der Wege bis 2030 im Mobilitätsgesetz verankert werden. Wir erwarten von der Koalition, dass die uns gegebenen Zusagen eingehalten und der Gesetzentwurf schnellstmöglich in den Landtag eingebracht und dort beschlossen wird. Wie mit dem MIL und den Fraktionen von SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen verabredet, werden wir auch das weitere Verfahren begleiten und uns über den Fortgang abstimmen.“

Franziska Sperfeld, Landesvorsitzende Bund und Sprecherin der Volksinitiative „Verkehrswende Brandenburg jetzt!“

Um insbesondere die ländlichen Räume besser zu erschließen, soll im Rahmen der Umsetzung des Landesnahverkehrsplans ein Vorschlag für ein landesweites Netz von Bahn und Bus unter Beteiligung der kommunalen Aufgabenträger erarbeitet werden.

Bei der Planung des SPNV in Aufgabenträgerschaft des Landes erfolgt im Gesetzentwurf ein Paradigmenwechsel von der nachfrage- zur angebotsorientierten Planung. Das Land wirkt im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten darauf hin, die Stilllegung und Freistellung von Eisenbahninfrastruktur zu vermeiden und unterstützt unter Beachtung des Prinzips der Wirtschaftlichkeit die Reaktivierung von Schienenstrecken und Haltepunkten sowie den Wiederauf- und Neubau von Eisenbahnstrecken.

SPNV und kommunaler Busverkehr sollen bessere Takte nach einheitlichen Bedienstandards erhalten. Interessenvertretungen (z.B. von Menschen mit Behinderung) und Fachverbände sollen die Möglichkeit erhalten, stärker an der Nahverkehrsplanung von Land und Kommunen beteiligt zu werden.

Auch das im Koalitionsvertrag verankerte und bisher schon im Straßenbau praktizierte Prinzip „Erhalt vor Neubau“ soll gesetzlich festgeschrieben werden. Das Auto – in Zukunft klimaneutral betrieben – wird auch künftig im Flächenland Brandenburg eine wichtige Bedeutung für die Mobilität des Einzelnen haben, insbesondere dort, wo der Umweltverbund an praktische Grenzen stößt.

Wichtiger Bestandteil des Gesetzentwurfs ist zudem das Ziel „Vision Zero“, um die Anzahl der Verkehrsopfer kontinuierlich zu reduzieren. Insbesondere soll die Verkehrssicherheit für die so genannten „ungeschützten“ Verkehrsteilnehmenden im Rad- und Fußverkehr erhöht werden.

Hintergrund

Im Auftrag des Landtags startete die Landesregierung Ende 2021 einen Dialogprozess mit zahlreichen ehrenamtlichen Vertreterinnen und Vertretern der erfolgreichen Volksinitiative „Verkehrswende Brandenburg jetzt!“, in der 16 Verbände, Gewerkschaften und Initiativen organisiert sind.

Drei fachliche Arbeitsgruppen erarbeiteten unter der Leitung einer paritätisch besetzten Steuerungsrunde gemeinsam einen Entwurf für ein Brandenburgisches Mobilitätsgesetz.

Mit großem Engagement moderiert wurde die Steuerungsgruppe von der ehemaligen Geschäftsführerin des DLR Berlin, Prof. Dr. Barbara Lenz. In den Prozess einbezogen wurden auch die Regierungsfraktionen von SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen im Landtag.

Der Entwurf zum Mobilitätsgesetz Brandenburg besteht aus mehreren Abschnitten. Der erste Teil stellt die grundsätzlichen Ziele der Verkehrs- und Mobilitätswende dar. Weitere Teile widmen sich dem öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Neu sind die rechtlichen Regelungen zum Thema Nahmobilität aus Rad- und Fußverkehr.

Die bisher im ÖPNV-Gesetz enthaltenen rechtlichen Regelungen zur Finanzierung des ÖPNV werden nach der Integration des alten ÖPNV-Gesetzes im Mobilitätsgesetz neu in einem sogenannten ÖPNV-Finanzierungsgesetz geregelt.

Darüber hinaus sind Änderungen im Brandenburgischen Straßengesetz mit einer erstmaligen Regelung zu stationsbasiertem Carsharing sowie Regelungen zu Radschnellwegen und selbständigen Radwegen geplant.

Der Gesetzentwurf steht hier zum Download bereit: https://verkehrswende-brandenburg.de

Zur Pressemitteilung: https://mil.brandenburg.de/mil/de/presse/detail/~11-07-2023-pk-entwurf-mobilitaetsgesetz-vi-verkehrswende#

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