Werder (Havel), 29.06.2022 – Man kann es drehen, wie man will. Ja, Frau Lorentz hat beachtliche Zahlen eingefahren. Ja, der Stimmenbalken der Amtsinhaberin sieht nicht überragend aus. Am Ende aber gilt die normative Kraft des Faktischen: 54 zu 45 Prozent. Die alte Bürgermeisterin wird auch die neue sein. Gratulation an Frau Saß.
Was damit am 26. Juni angebrochen ist, ist die Zeit nach dem Bürgermeisterwahlkampf 2022. Alle wieder runterfahren. Aus dem Wettbewerbsmodus in den Arbeitsmodus schalten. Und: analysieren.
Am CDU-Stammtisch dürfte es dabei vor allem um Zukunftsfragen gehen: Was bieten wir diesen neuen Wähler*innen-Schichten, wenn wir zukünftig nicht weiter schrumpfen wollen?
Bei SPD und Die Linke dürfte es um die Frage gehen: Alleine können wir nicht viel reißen, mit wem aber wollen wir eigentlich?
Aus der grünen Wolke wird vor allem Schulterklopfen zu hören sein. Dazwischen irgendwann ein Tweet, dass die Echtwelt eventuell doch nicht nur aus Twitter besteht.
Und die Stadtmitgestalter? Die werden sich fragen, warum bei so dicker Lippe in diesem Wahlkampf so wenig von ihnen zu hören war.
Im besten Fall landen alle Fraktionen bei ihrer Wahlanalyse irgendwann bei der Zahl 37. Sie steht für die Wahlbeteiligung bei diesem Urnengang. Zwei Drittel der Werderschen/Werderaner/Zugezogenen haben sich also gar nicht beteiligt.
Warum das so ist, lässt sich nur schwer deuten. Aber, diese 37 passt zu einem Phänomen, das mir in den letzten Wochen in mancher Runde aufgefallen ist: Das Thema Bügermeisterwahl wurde nicht nur erstaunlich selten besprochen, sondern mitunter regelrecht vermieden.
Dabei immer wieder auf die Frage nach dem Warum: Weil man sich nicht schon wieder über diese „scheiß Politiker“ aufregen will.
62 Prozent Nichtwähler bei einem Wahlkampf, der in Teilen „ruppig“ und „aggressiv“ gewesen sein soll: Kein gutes Zeugnis für die Politikriege der Blütenstadt. Das nächste gibt es 2024. Bei der Kommunalwahl.
Hinweis: Die Zahl 37 bezieht sich auf die Stichwahl. Die Wahlbeteiligung am 12. Juni lag bei 45 Prozent.